Freundschaften sind kostbar. Sie machen uns glücklich und lassen uns sogar länger leben. Freundschaften beeinflussen unsere Identität. Und ob wir wollen oder nicht, Freundschaften verändern sich im Laufe des Lebens. Sie können sich in ihrer Form, Tiefe und Bedeutung wandeln. Übrigens: Freundschaften hören nicht auf, nur weil sie enden. Manche Freundschaften begleiten uns ein Leben lang, andere nur ein kleines Stück des Weges. Doch alle hinterlassen Spuren. Biografisches Schreiben zeigt uns, welche Verbindungen uns getragen haben, welche uns herausforderten und welche uns verändert haben. Wir tragen Freundschaften in unserem Denken, Fühlen und Handeln immer weiter, auch, wenn uns das nicht immer bewusst ist. Durch das Schreiben können wir Muster erkennen und herausfinden, was wir in uns selbst vermissen oder wiederfinden wollen.
Inhaltsverzeichnis
Länger leben dank guter Freundschaft
Freundschaften sind nicht nur die Kirsche auf dem Sahnehäubchen im Alltag, sondern sie sind lebenswichtig und wirken sogar lebensverlängernd. Denn Menschen, die gute Freundschaften pflegen, haben ein um bis zu 20 Prozent geringeres Risiko, einen vorzeitigen Tod zu erleiden. Du denkst jetzt: Na ja, das ist aber schon ein bisschen übertrieben? Nein! Genau das und noch vieles mehr ist durch zahlreiche Studien nachgewiesen worden. Erstaunlich, oder?
Wer mich schon ein bisschen länger kennt, der weiß, dass ich wissenschaftliche Nachweise sehr schätze – da schlägt nicht nur mein Journalistenherz einen Purzelbaum vor Freude. Wusstest du, dass die „Harvard Study of Adult Development” eine der am längsten laufenden Forschungsstudien der Welt ist? Sie startete im Jahr 1938, dauert bis heute an und ermittelt (verkürzt gesagt) anhand von zahlreichen Daten der teilnehmenden Personen die Faktoren, die zu einem gesunden und glücklichen Leben beitragen. Die größte Erkenntnis: Gute Freundschaften und Verbundenheit sind am förderlichsten für ein langes, gesundes Leben. Einsamkeit hingegen verkürzt die Lebenserwartung. Freundschaft ist das unterschätzte Lebenselixier unserer heutigen Zeit.
Warum das so ist, lässt sich auf mehreren Ebenen beobachten. Gute Freundschaften wirken wie ein unsichtbares Schutznetz, das uns auffängt, wenn das Leben unruhig wird. Menschen, die wissen, dass da jemand ist, der zuhört, versteht und mitfühlt, reagiert auf Stress messbar gelassener. Der Blutdruck steigt weniger stark an, das Herz schlägt ruhiger, das Immunsystem arbeitet stabiler. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen wird gemindert. Freundschaft macht uns nachweislich resilienter und zwar körperlich wie seelisch.
Und sie kann das Leben verlängern. Nicht nur um symbolische Jahre, sondern tatsächlich messbar. Freundschaft ist wie ein Glas frisches Wasser für die Seele. Wer regelmäßig davon trinkt, bleibt länger lebendig.
Apropos Wasser: Sicherlich kennst du das Sprichwort „Blut ist dicker als Wasser!“ Seit jeher wurden Freundschaften durch Rituale besiegelt. Schon in der Antike gab es die Blutsbrüderschaft. Das Blut galt als „Lebenspfand“ und stand für die gegenseitige Verpflichtung füreinander einzustehen und das Wasser bezog sich auf das „Geburtswasser“.
Noch früher, im Alten Testament, ist überliefert, dass Verträge mit dem Blut geschlachteter Tiere unterzeichnet wurden und somit eine stärkere Verbindlichkeit hatten, als die der eigenen Familie gegenüber, denn mit dem Wasser war das Fruchtwasser der Mutter gemeint.
Das Sprichwort hat sich zwar bis heute nicht verändert, aber die Bedeutung hat sich im Laufe der Jahrhunderte genau umgekehrt.
Kleiner Schreibimpuls für dich: Fühlt sich das Sprichwort „Blut ist dicker als Wasser!“ stimmig an? Zählt für dich die Familie mehr als Freunde? Wenn ja, woher kommt diese Verbundenheit? Wenn nicht, warum nicht? Schreib doch einfach mal fünf Minuten auf, was dir dazu einfällt.
Wer sind Lebenszeugen deiner Geschichte?
Im Durchschnitt pflegen wir bis zum 25. Lebensjahr den größten Freundeskreis unseres Lebens. Dann nimmt die Zahl der Freunde kontinuierlich ab. Statistisch gesehen, verlieren mit jedem neuen Lebensjahrzehnt etwa einen Freund, ohne dass diese Lücke von neuen Freunden gefüllt wird. Das ist eines der Ergebnisse einer großen Metaanalyse (also der Zusammenfassung verschiedener Studien für umfassendere Schlussfolgerungen) mit 150 000 Teilnehmern aus 28 Ländern. Warum ist das so? Weil Freundschaften hauptsächlich durch physische Nähe und jeder Menge gemeinsam verbrachter Zeit entstehen. Eine Studie der University of Kansas liefert die Zahlen dazu: Es braucht bis zu 60 Stunden, um sich mit jemandem locker anzufreunden, mehr als 100 Stunden, um sich als befreundet zu bezeichnen und erst, wenn mehr als 200 Stunden gemeinsame Zeit verbracht wurden, fühlt man sich richtig gut befreundet.
Im Laufe unseres Lebens nehmen wir uns jedoch immer weniger Zeit für die Pflege von geschlossenen Freundschaften. Meist kommt irgendwie das Leben dazwischen. Unsere Biografien verlaufen heute anders als die der Generationen vor uns. Während frühere Lebenswege oft einem erkennbaren Rhythmus folgten – Ausbildung, Beruf, Familie, Rente – sind die heutigen Lebensläufe vielfältiger, offener und manchmal auch brüchiger. Wir wechseln Berufe, Orte, Beziehungen.
Diese Freiheit hat viele Gesichter: Sie erlaubt uns, uns immer wieder zu erfinden, aber sie kann auch dazu führen, dass wir Bindungen leichter verlieren. Mit dem Älterwerden wächst die Sehnsucht nach Verlässlichkeit. Wir wollen Menschen um uns haben, die uns kennen, ohne dass wir viel erklären müssen. Doch gleichzeitig haben wir weniger gemeinsame Alltagsorte: kein Büro, keine Schulbank, keine Elternrunde mehr. Freundschaft braucht nun bewusste Aufmerksamkeit, Initiative und Mut zur Kontaktaufnahme. Vertraute Routinen verändern sich unser Leben lang. Natürlich ergeht es auch mir so. Manchmal kehren Freundschaften wieder zurück ins Leben. Dieses Erlebnis war unter anderem der Auslöser für diesen Blogartikel – was ich genau meine, kannst du hier (Alte Freundschaft – neuer Anstrich) nachlesen.
Es gibt auch tröstliche Aspekte in der Dramatik des anscheinend unausweichlichen Freundschaftsverlustes über die Lebensjahre: Die Anzahl der Freundschaften nimmt ab, die Qualität jedoch meistens zu. Die Pflege von Freundschaften liegt zu einem großen Teil in unserer eigenen Hand. Wir können sie nähren, erneuern, vertiefen.
Starte doch heute gleich mit einem kleinen Schritt: Schreib eine Nachricht, einen Brief oder telefoniere mit einem wundervollen Lebenszeugen deiner Geschichte.
Wir alle kennen die Begriffe Augenzeugen, Zeitzeugen, Trauzeugen, aber Lebenszeugen? Ich finde diesen Ausdruck großartig. Geprägt wurde er von Janusch Schobin. Er zählt zu den führenden „Freundschaftsforschern“ des Landes und ist Soziologe an der Universität Kassel. Seine Forschungsschwerpunkte sind Freundschaft, Soziale Isolation, Familiensoziologie und Einsamkeit. An dieser Stelle habe ich eine Leseempfehlung von Herzen für dich: In diesem Jahr ist Schobins neues Buch „Zeiten der Einsamkeit“ erschienen. Es umfasst eine gelungene Mischung aus Forschung, Erzählung und Historie und ist in sympathischer, leichter Schreibstimme geschrieben.
Lebenszeugen sind aus Schobins Sicht Menschen, mit denen man Geheimnisse oder Informationen ausgetauscht hat, die man niemandem sonst anvertrauen möchte. Solche gegenseitigen verbalen Vertrauensbeweise, hält er für Garanten für das Funktionieren von Freundschaft. „Freundschaften sind etwas für mutige Menschen. Man muss sich etwas zutrauen und anderen vertrauen.“ Diese Erkenntnis beruht zum einen auf den Forschungen Schobins und zum anderen auf seinen eigenen Erfahrungen. Denn schon als Kind bedeuteten Freundschaften große Herausforderungen für Schobin, dessen Eltern als Entwicklungshelfer arbeiteten. Zahllose Ortswechsel auf verschiedenen Kontinenten prägten seine Kindheit und Jugend. Bis heute pflegt er zwei Freundschaften aus seiner Schulzeit in Südamerika und bezeichnet sie liebevoll als seine Lebenszeugen.
Wer sind die Lebenszeugen deiner Geschichte? Mit wem hast du Geheimnisse geteilt, bist durch schwere Zeiten durchgegangen, hast ähnliche Erfahrungen gemacht, die euch zusammengeschweißt haben?
Das biografische Schreiben können wir in diesem Zusammenhang immer wieder als eine Art „Immuntraining“ nutzen. Wenn wir über Menschen schreiben, die uns wichtig sind oder waren, dann erinnert sich auch unser Körper an die emotionalen Zustände, die mit diesen Beziehungen verbunden sind. Forschungen aus der Schreibtherapie zeigen, dass das bewusste Reflektieren über positive soziale Erfahrungen die Ausschüttung von Serotonin und Endorphinen anregt. Es entsteht also nicht nur ein gedanklicher, sondern auch ein körperlicher Effekt.
Auch das ist ein Grund dafür, warum uns die Erinnerungen an alte Freundschaften so tief berühren. Sie erinnern uns daran, wer wir einmal waren und wer wir in Verbindung mit anderen geworden sind. Wenn wir über Freundschaften schreiben, treten wir immer in Beziehung zu unserer eigenen Geschichte.
Wenn Freundschaft zur Erinnerung wird: Abschied und Verlust
Es gibt Freundschaften, die still ausklingen. Ganz ohne Streit, ohne bewussten Abschied. Und es gibt solche, die schmerzhaft enden, weil etwas passiert ist, das man nicht mehr ungeschehen machen kann. Beides gehört zum Leben.
Doch mit dem Älterwerden bekommen solche Verluste ein anderes Gewicht. Wir erkennen, dass die gemeinsame Zeit begrenzt war, zweifeln und fragen uns: Hätte ich mich noch einmal melden sollen? War der Bruch wirklich nötig? Warum tut es immer noch weh?
Freundschaften sind eben nicht nur Begegnungen zwischen zwei Menschen. Es sind Lebensabschnitte, verdichtet in Erlebnissen, Gesprächen und Gesten. Wenn sie enden, bricht nicht nur ein Kontakt ab, sondern oft auch ein Stück Identität weg, das sich durch diese Verbindung gebildet hatte.
Das Schreiben erlaubt uns, das Unausgesprochene in Sprache zu verwandeln. Es eröffnet uns Möglichkeiten, den inneren Dialog fortzusetzen. Manchmal zeigt sich, dass der Schmerz nicht nur mit der anderen Person zu tun hat, sondern auch mit der eigenen Veränderung: Mit Erwartungen, Enttäuschungen oder Grenzen, die wir erst spät erkannt oder gesetzt haben.
Ich erlebe in meiner Arbeit immer wieder, dass Menschen beim Schreiben über alte Freundschaften plötzlich Mitgefühl entwickeln. Zum einen für die andere Person, aber auch für sich selbst. Genau das ist der Moment, in dem eine belastende Erinnerung zu Versöhnung avancieren kann. Freundschaft hört nicht auf, wenn sie endet. Sie wandert weiter in unsere Gedanken, in Geschichten, die wir über andere erzählen oder über uns selbst im Kontext mit ihnen.
Hast du dich schon einmal gefragt, welche Freundschafts-Geschichte(n) du erzählen willst?
Kreis der Verbundenheit
Freundschaft ist ein Teil unserer biologischen Ausstattung. Wir sind nicht dafür gemacht, allein zu funktionieren. Um glücklich und gesund zu leben, wollen und sollten wir verbunden sein.
Das Schreiben hilft uns dabei: Wenn wir über Freundschaften schreiben – über jene, die uns geprägt, gestützt oder vielleicht auch enttäuscht haben –, beginnen wir, die feinen Linien zwischen Nähe und Distanz, Geben und Nehmen zu erkennen. Wir verstehen, warum uns manche Begegnungen lange begleiten und andere verblassen.
Durch das biografische Schreiben holen wir unsere Beziehungen aus der Selbstverständlichkeit zurück ins Bewusstsein. Und Bewusstheit ist der erste Schritt zur Selbstfürsorge und die Basis dafür, Freundschaften zu pflegen.
Schreiben heißt, die eigene soziale Lebenslinie neu zu zeichnen. Vielleicht entdecken wir beim Schreiben, dass bestimmte Menschen uns schon über Jahrzehnte stärken, ohne dass wir es wirklich wahrgenommen haben. Oder dass eine alte Freundschaft nach wie vor Bedeutung hat, auch wenn sie längst aus dem Alltag verschwunden ist. Indem wir diese Beziehungen in Worte fassen, beginnen wir, sie wiederzubeleben. Wir schreiben uns ein Stückchen gesund – im wahrsten Sinne des Wortes.
Du möchtest es ausprobieren? Ich habe eine Anregung für dich: Der Kreis der Verbundenheit. Das Bild zeigt dir, wie’s funktioniert. Du kannst für Männer, Frauen und Kinder unterschiedliche Symbole verwenden, wenn du möchtest. Nimm dir ein paar Minuten Zeit und zeichne los. Schreibe im Anschluss zehn Minuten über das, was du siehst.
Freundschaft zu dir selbst
Manchmal erkennen wir erst im Rückblick, dass Freundschaften uns nicht nur geprägt, sondern auch jede Menge über uns selbst erzählt haben. Darüber, was wir brauchen, wie wir lieben, was wir geben, wo wir uns verlieren und vieles mehr.
Je älter wir werden, desto stärker verschiebt sich jedoch die Perspektive. Wir suchen weniger Bestätigung, dafür mehr Authentizität. Wir merken, dass wir Beziehungen nicht mehr aus Gewohnheit halten wollen, sondern aus Resonanz. Nicht zuletzt deshalb, weil die Lebenszeit mit zunehmendem Alter als wertvoller wahrgenommen wird.
Wenn wir schreiben, treten wir in Kontakt mit den vielen Stimmen in uns. Da sind die mutigen, die ängstlichen, die verspielten, die erschöpften und viele Stimmen mehr. Beim Schreiben können wir hören, was sie uns sagen wollen. Wir nehmen uns ernst, ohne uns zu bewerten. Schreibend können wir eine Form der Selbstfreundschaft entwickeln.
Oft lassen sich beim Schreiben über Freundschaften spannende Muster erkennen: Wen habe ich immer „gerettet“? Wo habe ich zu selten Grenzen gesetzt?
Wer durfte mich wirklich sehen und wer nur die starke, funktionierende Version von mir?
Solche Erkenntnisse sind keine Anklage. Sie sind ein liebevolles und gleichzeitig befreiendes Wiederfinden des eigenen Selbst. Reflexion schafft Raum für neue, reifere Formen von Freundschaft, weil wir klarer wissen, wer wir sind, was wir wollen und was uns wirklich guttut.
Freundschaft nach außen braucht Freundschaft nach innen. Wer sich selbst zuhört, kann auch andere wahrhaft hören.
Wichtig zu wissen: Nur wir selbst sind die Konstante. Je besser wir uns selbst kennen, desto weniger haben wir das Bedürfnis, uns an einer sogenannten besten Freundin oder bestem Freund festzuhalten. Wir dürfen Freundschaft facettenreich und ohne Erwartung erleben.
Ein lohnenswertes Ziel: Nicht die EINE Person zu suchen, die immer und für immer da sein soll, sondern für sich selbst zur eigenen, besten Freundin zu werden. Aus dieser gewonnenen Freundschaftsfähigkeit heraus, lassen sich bedingungslose Freundschaften ganz wunderbar aufbauen und pflegen.
SCHREIB-WORKSHOP: Lebenselixier Freundschaft
Online-Schreibabend am 24. November 2025 | 19–21 Uhr
Freundschaften sind ein echtes Lebenselixier: Sie halten uns lebendig, erinnern uns an uns selbst und schenken Halt, wenn das Leben mal wankt.
In meinem geschützten Schreib-Raum lade ich dich in kleiner Runde ein, über deine Lebenszeugen zu schreiben: Menschen, die dich geprägt, begleitet oder auch herausgefordert haben. Mit sanften Impulsen, kurzen Erinnerungsreisen und kreativen Schreibübungen öffnen wir den Blick für das, was bleibt und für das, was sich verändern darf. An diesem Schreibabend tauchst du tief ein in deine Freundschafts-Geschichten.
Zwei Stunden für dich, deine Erinnerungen und die stärkende Kraft des Schreibens, die wie ein Booster für dein soziales Immunsystem wirken kann. Schnell sein lohnt sich, denn die Plätze sind limitiert. Ich freue mich auf dich! 💚
Das Anmeldeformular findest du direkt hier unten.⬇️